Leitungsüberlastung durch 800-Watt-Balkonkraftwerke? Was dahinter steckt!

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Dominik Broßell

Redakteur

TechnikLesezeit 8 Minuten
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Mit dem offiziellen Beschluss des lang erwarteten Solarpakets I dürfen Balkonkraftwerk-BesitzerInnen ihre Wechselrichter seit dem 16. Mai 2024 auf die nun erlaubten 800 Watt hochdrehen. Was jetzt noch aussteht, ist die Anpassung der VDE Normen für Balkonkraftwerke: In der Diskussion ist eine Beschränkung der Modulleistung auf 960 Watt. In unserem Artikel klären wir darüber auf, was es damit auf sich hat. 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bis 960 Wp Modulleistung kannst Du Dein Balkonkraftwerk in der Regel sicher auf 800 Watt Ausgangsleistung betreiben.
  • Bei mehr als zwei Modulen oder einem Speicher kann eine Rücksprache mit einer Elektrofachkraft sinnvoll sein.
  • Der VDE arbeitet aktuell an einer neuen Norm, die u.a. eine Beschränkung der Modulleistung auf 960 Wp vorsieht.
  • In Grenzsituationen (z. B. Leitung in der gedämmten Wand) kann es zur Überlastung kommen – hier sind Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll.

Der VDE arbeitet, die Solarbranche wartet

Der Verband der Elektrotechnik (VDE) entwickelt derzeit neue Standards für Balkonkraftwerke. Diese beinhalten Überlegungen zur zulässigen Dauerleistung auf Leitungen, insbesondere bei Stecker-Solaranlagen mit mehreren Modulen. Hier könnte es zu einer Begrenzung der Modulleistung auf 960 Watt kommen, um sicherzustellen, dass auch größere Anlagen nach dem Plug&Play-Prinzip aufgebaut und sicher betrieben werden können.

Sichere Modulleistung priorisiert: VDE setzt wohl auf 960 Watt Peak

Der VDE wird sich wahrscheinlich bewusst für eine Modulleistung von 960 Watt Peak (Wp) entscheiden. Dies basiert auf der Erkenntnis im Bericht des PI Instituts, dass die „freie“ Leitungsreserve bei dauerhafter Belastung etwa 700 Watt beträgt. Das bedeutet, dass bei einer Modulleistung von 960 Wp die Leitung nur gelegentlich vollständig ausgelastet wird, was zu einer Erwärmung der Kabel führen kann. Bei einer Leistung von 2000 Watt oder mehr kann jedoch konstant eine Leistung von 800 Watt am Ausgang anliegen. Im extremsten Fall könnte dies, so die Bedenken des VDE, in Kombination mit einer dauerhaft hohen Netzleistung zu einem Kabelbrand führen.

Warum sollte die Modulleistung überhaupt auf 960 Watt begrenzt werden?

Der Verband der Elektrotechnik (VDE) überarbeitet derzeit die Normen für Balkonkraftwerke. Hintergrund ist das thermische Verhalten der Stromleitungen: Strom erzeugt Wärme – je mehr Strom fließt, desto wärmer wird das Kabel.

Die 960-Watt-Grenze bei der Modulleistung ergibt sich aus einem Sicherheitsansatz: Bei dieser Größe ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass dauerhaft so viel Solarstrom produziert wird, dass die Leitung vollständig ausgelastet wird.

Ein Rechenbeispiel:

  • Eine normale Haushaltsleitung (1,5 mm²) ist für eine Dauerbelastung von ca. 13–16 A ausgelegt (je nach Verlegeart).
  • 800 Watt bei 230 Volt Netzspannung = ca. 3,5 A Stromstärke.
  • Klingt erstmal unbedenklich – aber: Wenn gleichzeitig weitere Geräte an derselben Leitung hängen, addiert sich der Stromfluss. Und wenn die Leitung schlecht belüftet ist (z. B. in einer gedämmten Wand), kann es schnell zu viel werden.

Worauf sollte ich achten, wenn ich meinen Wechselrichter mit 800 Watt betreiben möchte?

Zu einer Überlastung der Leitung könnte es bei Kabeln kommen, die in einer beidseitig gedämmten Wand verlaufen – eine sogenannte Grenzsituation. Wenn die Kabelverlegung jedoch beispielsweise zum Carport, im Freien oder mit einem anderen Kabelquerschnitt erfolgt, besteht keine Grenzsituation nach VDE-Norm.

Wie löst man eine Grenzsituation?

Um eine solche Situation aufzulösen, bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an:

  1. Austausch der Sicherung: Tausche mithilfe einer Elektrofachkraft Deine Sicherung von 16A auf eine kleinere, z.B. 13A. Dadurch kann weniger Strom aus dem öffentlichen Netz über die Leitung fließen, was mehr Kapazität für den Solarstrom schafft.
  2. Leitungsprüfung und Sicherungstausch: Lass eine Leitungsprüfung durchführen und gegebenenfalls den Sicherungsautomaten durch eine Elektrofachkraft austauschen.

Wer ganz sichergehen möchte, wartet den Beschluss des VDE ab oder konsultiert eine Fachkraft vor dem Upgrade. Das gilt insbesondere, wenn Du ein Balkonkraftwerk mit einer Modulleistung von über 960 Watt hast und/oder einen Batteriespeicher betreibst.

Technische Grundlagen einfach erklärt:

Was passiert bei Überlastung?

  • Stromstärke (Ampere) bestimmt, wie viel Energie durch die Leitung fließt.
  • Leitungsquerschnitt (z. B. 1,5 mm² oder 2,5 mm²) entscheidet, wie viel Strom sicher übertragen werden kann.
  • Wärmeentwicklung entsteht bei hohem Stromfluss – je mehr Strom, desto heißer wird das Kabel.

Wenn die Leitung zu heiß wird, drohen:

  • Isolationsschäden
  • Schmorstellen
  • Brandgefahr

Sicherheitsrisiko durch rückwärtige Einspeisung? Was Du dazu wissen musst

In jedem Haushalt gibt es Sicherungen, die den Stromfluss auf den einzelnen Leitungen überwachen. Diese Schutzvorrichtungen lösen bei einer Überlastung, wie sie etwa durch den gleichzeitigen Betrieb mehrerer großer Verbraucher entstehen kann, aus und verhindern so Schäden.

Der Strom, den Dein Balkonkraftwerk erzeugt, fließt jedoch nicht über diese Sicherungen. Er kommt aus der entgegengesetzten Richtung und wird daher von den Sicherungen nicht ganz so exakt erfasst. Das bedeutet, dass die Sicherung bei einer Überlastung möglicherweise nicht auslöst, weil sie den zusätzlichen Strom nicht entsprechend registriert.

Selbst bei den relativ geringen Leistungen einer Solaranlage kann dies zu einem Sicherheitsrisiko werden. Wenn zu viel Strom auf der Leitung ist, ohne dass die Sicherung reagiert, besteht die Gefahr einer Überhitzung, die im schlimmsten Fall zu einem Brand führen kann.

Achte deshalb immer darauf, dass Deine Anlage richtig angeschlossen und abgesichert ist, um potenzielle Gefahren zu vermeiden.

Was Du konkret tun kannst:

Sicherer Betrieb mit 800 Watt – Checkliste

  1. Modulleistung prüfen
    → Liegt sie unter 960 Wp? Dann ist ein Betrieb meist unkritisch.
  2. Leitungsverlauf bewerten
    → Verlaufen die Kabel in einer schlecht belüfteten Wand? Dann aufpassen!
  3. Leitungsquerschnitt prüfen lassen
    → 2,5 mm² ist sicherer als 1,5 mm² bei Dauerbelastung.
  4. Sicherung anpassen
    → In Absprache mit Fachkraft ggf. von 16 A auf 10 A oder 13 A runtergehen.
  5. SpezialistIn fragen
    → Besonders bei Anlagen mit Speicher oder mehr als zwei Modulen.

Weiterführende Informationen zum 800-Watt-Update, Solarpaket I und mehr

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Dominik BroßellRedakteur

Als euer Experte für Solartechnik und erneuerbare Energien informiert euch Dominik regelmäßig im priwatt-Blog über alles Wissenswerte rund um die Themen Balkonkraftwerk, PV, Stromtarife, Batteriespeicher und Co.

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